Cocktail für eine Leiche

Filmposter Cocktail für eine Leiche

7.5/10

Originaltitel: Rope
USA | 1948 | ca. 80 Min. | FSK: ab 16
Krimi, Thriller, Theateradaption
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Arthur Laurents, Hume Cronyn, Ben Hecht
Besetzung: James Stewart, John Dall, Farley Granger u.a.
Kinostart: 25.07.63
DVD/Blu-Ray VÖ: 03.02.03

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | Filmposter

Worum geht’s?

Die zwei Studenten Brandon und Phillip ermorden in ihrem Apartment mit einem Strick einen Kollegen und verstecken die Leiche in einer Truhe, einfach nur um den perfekten Mord begangen zu haben, statt wie alle Anderen nur darüber zu reden. Als Krönung der Tat soll am gleichen Ort eine Party stattfinden, ohne dass die Gäste von der Anwesenheit des Toten wissen. Brandon hat unter anderem auch seinen ehemaligen Lehrer Rupert Cadell eingeladen. Dieser schöpft schließlich Verdacht.

Wie ist der Film?

Ungeachtet seiner Qualität markiert „Cocktail für eine Leiche” alias „Rope” einen wichtigen Punkt in Hitchcocks Schaffenszeit. Es ist zum einen sein erster Farbfilm, zum andern setzt er eine fast schon bahnbrechende Filmtechnik ein, von der viele Regisseure träumen: Den ganzen Film in einem Fluss und in Echtzeit zeigen.

Das heißt im Klartext, dass „Cocktail für eine Leiche“ quasi eine einzige große Szene ist, die bis auf wenige Ausnahmen nur dann von einem Schnitt unterbrochen wird, wenn es nicht anders geht, nämlich wenn die damalige Maximallaufzeit einer Filmrolle (zehn Minuten) erreicht ist. Die meisten Schnitte sind obendrein versteckt, indem die Kamera z.B. auf einen Rücken zufährt, bis dieser den ganzen Bildschirm dunkel ausfüllt, um nach dem Schnitt wieder zurück zu fahren, als wäre die Sequenz durchgehend. Alles in allem besteht dieser abendfüllende Spielfilm aus gerademal elf (!) Einstellungen, der Vorspann inklusive. Etwa drei Wochen Drehzeit mit penibelster Planung und haarsträubenden Take-Wiederholungen erbrachten diese filmische Spielerei, die Hitchcock im Nachhinein belächelte, aber dennoch als Meisterleistung bezeichnet werden darf.

Die Geschichte entstammt, man ahnt es, einem Theaterstück. Doch „Rope“ ist keineswegs nur das Abfilmen eines Bühnenstücks. Hitchcock macht sich das Medium Film bei diesem Projekt trotz der „schnittlosen“ Machart durchaus zunutze, indem die Kamera sich immer an den Teil des Handlungsraums heftet, der gerade am interessantesten ist. Dabei läuft der Rest der Geschichte stets weiter, auch wenn es nur am äußeren Bildrand oder aus dem Off geschieht, was dem Film seinen eigenen Stil gibt und eben tatsächlich den raffinierten Echtzeit-Effekt erzielt.

Formal ist „Rope“ also schon mal ein einziger Leckerbissen. Inhaltlich kommt der Film im Mittelteil nicht um einige Längen herum, was durch sein Konzept auch geradezu unvermeidbar ist. Dafür punktet die Geschichte mit der stetigen dramatischen Zuspitzung gegen Ende, die durch die hereinbrechende Dunkelheit von außen (wohlgemerkt auch alles mühsam handgemachte Effekte) perfekt unterstützt wird, bis zur wunderbar ausdrucksstarken Schlusseinstellung, die ganz ohne Worte sehr viel sagt.

James Stewart gibt hier den Gaststar, wie es seine Rolle im Film auch unterstreicht, und darf bei den eigentlichen Hauptfiguren auf seine einzigartig charmante Art Verdacht schöpfen. John Dall und Farley Granger („Der Fremde im Zug“) veranschaulichen gekonnt die Last, die als Mörder auf ihnen liegt und mal mehr, mal weniger erfolgreich überspielt wird. Dall spielt den geradezu widerwärtigen Charmebolzen, während Grangers Figur nach und nach durch die quälende Schuld von innen zerfressen wird. Ein famoses Protagonisten-Trio, und selbst die an sich unwichtigen Nebenfiguren sind sorgfältig gezeichnet.

Fast nur noch ein hübscher Bonus ist der von der Story gelieferte Denkanstoß zum Thema der Perversion philosophischer Thesen. Zu erwähnen bleibt die angedeutete Homosexualität der Hauptfiguren, die man in die eigene Deutung der Geschichte einfließen lassen kann. Jedoch ist sie nicht wirklich relevant, zumal die finale Drehbuchfassung sogar ein wenig dagegen arbeitet. (Der in vielen Kreisen als versteckter Homo abgestempelte Brandon [John Dall] deutet in einer Szene an, dass er mal mit der Verlobten des Mordopfers zusammen war.)

Aufgrund teilweise inakzeptabler Farbkomposition (der Farbfilm steckte schließlich noch in den Kinderschuhen) oder kleiner Missgeschicke des Filmteams hatte Hitchcock bei seinem riskanten Projekt genug mit Wiederholungen und Nachdrehs zu tun. Doch der Stress war es wert, zumal sich das Ergebnis wirklich sehen lassen kann. Fairerweise muss man zugeben, dass Spannung und Unterhaltungsfaktor trotz diverser intensiver Momente nicht an die Raffinesse der Technik heranreichen, doch „Rope“ ist eben einfach ein interessantes Experiment. Ein Experiment, das mit Recht zum Klassiker wurde.

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1 Kommentar

  1. Der Film ist ein Meisterwerk. Er zeigt auf sehr reale Weise, was aus Menschen wird, die von Kindheit an mit Reichtum und Erfolg verwöhnt werden.

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