Eyes Wide Shut

Filmposter Eyes Wide Shut

9/10

Originaltitel: Eyes Wide Shut
GB | 1999 | 153 Min. | FSK: ab 16
Drama, Erotik, Mystery, Romanadaption
Regie: Stanley Kubrick
Drehbuch: Stanley Kubrick, Frederic Raphael
Besetzung: Tom Cruise, Nicole Kidman, Sydney Pollack u.a.
Kinostart: 09.09.99
DVD/Blu-Ray VÖ: 23.08.01/06.12.07

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Worum geht’s?

Dr. Bill Harford und seine Frau Alice besuchen die Weihnachtsparty eines Bekannten. Dort flirten beide mit Fremden und erhalten eindeutige Angebote, lehnen jedoch ab, weil sie verheiratet sind. Am Tag darauf haben Alice und Bill ein Gespräch über Treue und sexuelle Fantasien, das schließlich in einen Streit mündet. Dabei macht Alice ein Geständnis, das Bill so aus der Bahn wirft, dass er sich kurz darauf in ein seltsames erotisches Abenteuer stürzt.

Wie ist der Film?

„Eyes Wide Shut“ – die Augen weit geschlossen – ist mystisch, wie schon sein Titel. Nur wenige Tage nach Fertigstellung des Schnitts verstarb Regisseur Stanley Kubrick und machte diesen Film somit zu seinem Vermächtnis. Dieser Umstand verstärkt die mystische Atmosphäre, die sich im Film ausbreitet, doch auch so ist sie deutlich spürbar. „Eyes Wide Shut“ ist ein Film, bei dem unheimlich viel in der Luft liegt, was nicht direkt greifbar ist. Das kann in einigen Fällen völlig an einem vorbei gehen, doch wenn die rätselhafte Grundstimmung (mal nur unterschwellig, mal sehr intensiv) einen erst einmal an der Angel hat, ist es eine bannende Abenteuerreise.

Obwohl der erst über zehn Jahre nach dem Vorgänger „Full Metal Jacket“ erschienene „Eyes Wide Shut“ gut zu Kubrick passt, lässt er sich in vielerlei Hinsicht nicht so einfach in dessen Gesamtwerk einordnen. Das sollte jedoch nicht als (Alters-) Schwäche ausgelegt werden, sondern ist umso spannender. Es gibt ungewöhnlich viel blaues Nacht-Licht, dann noch die unnatürliche, bunte Weihnachtsbeleuchtung überall – eine visuelle Unterstützung des Traumthemas, dem sich Kubrick hier (in dieser Form) erstmals widmet. Geradezu ungewohnt ist auch, wie genau Kubrick sich diesmal an seine literarische Vorlage hält.

„Traumnovelle“ heißt das Buch, von dem Kubrick sich zu „Eyes Wide Shut“ inspirieren ließ. Es wurde in den 20er Jahren von dem Österreicher Arthur Schnitzler geschrieben und spielt in Wien. Der Romaninhalt wurde nahezu gänzlich beibehalten, lediglich in die Gegenwart nach New York übertragen. Die Änderungen der Originalgeschichte sind so gut wie alle nur eine logische wie notwendige Modernisierung und dienen der Glaubwürdigkeit, statt nur Vorlieben des Regisseurs zu bedienen. Dass „Eyes Wide Shut“ sich nah an der Vorlage bewegt, spielt für den Film eigentlich keine Rolle, zeigt aber, wie zeitlos die Frage nach der Verbindung zwischen Sex und Liebe doch ist.

Die Komponenten der eigentlichen Geschichte werden durch eine lange Exposition mit Ehealltag vorbereitet – und schon da prickelt es. „Eyes Wide Shut“ ist inmitten seiner Rätselhaftigkeit auch sinnlich, vor allem dank der hinreißenden Nicole Kidman, die, stets überzeugend, ein großes Gefühlsspektrum an den Tag legt. Und natürlich dank Tom Cruise, dem Strahlemann, an dem sich die Geister scheiden, der aber mit dem richtigen Maß an Zurückhaltung seinen Charme spielen lässt und den Film zu tragen vermag. Die Chemie zwischen den beiden – ganz entscheidend – stimmt ebenfalls, sicher nicht zuletzt weil die beiden damals auch im wahren Leben ein Paar waren und mitunter auch deshalb ausgesucht wurden.

„Eyes Wide Shut“ funktioniert aber auch dank einiger hochinteressanter Nebenfiguren, die dem Protagonisten, Dr. Hardford, begegnen. Zwei davon, der Gastgeber und der Pianist, dürfen sich ausführlicher präsentieren und stellen Schlüsselfiguren für den Handlungsverlauf dar – obwohl der Gastgeber im Roman gar nicht vorkommt. Weitere, kurze aber prägnante Begegnungen gibt es mit Männern und Frauen, die, gerade weil man ihre Hintergründe nicht erfährt, in gewisser Weise umso interessanter sind. Höhepunkte dabei stellen die Szenen mit dem Hotelrezeptionisten und dem Kostümverkäufer dar, wo ein Hauch von Humor in der ansonsten weitgehend ernsten Handlung aufblitzt. Aus deutscher Sicht besonders sehenswert ist der verführerische Auftritt von Sky du Mont (Santa Maria in „Der Schuh des Manitu“).

Stanley Kubricks letzter Film ist nochmal eine Wucht – zumindest für jene, die sich von der eigenartigen Atmosphäre einfangen lassen. Ein sinnliches Mystery-Drama über zwischenmenschliche Kommunikation, Fantasie und Sexualität – vor allem die sexuelle Begierde als Teil von beziehungsweise Kontrast zu einer festen Beziehung wie der Ehe, angereichert mit viel Symbolik und Raum für eigene Interpretation, unterstützt durch überraschend minimalistische, aber oft umso wirkungsvollere Musik und schließlich mit einem einerseits enttäuschenden, andererseits großartigen Ende, das originell, zynisch, offen, abschließend, resigniert und hoffnungsvoll zugleich ist. Ein würdiges Erbe an das neue Jahrtausend von einem großen Regisseur.

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