Originaltitel: Dancer in the Dark
FR, SE, DK | 2000 | ca. 139 Min. | FSK: ab 12
Drama, Musical
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Besetzung: Björk, Catherine Devenue, David Morse, Peter Stormare, Cara Seymour, Udo Kier u.a.
Kinostart: 28.09.00
DVD/Blu-Ray VÖ: 02.08.04
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Worum geht’s?
Die 60er Jahre. Selma, tschechische Einwanderin, arbeitet hart in einer Metallfabrik, obwohl sich ihre ohnehin geringe Sehkraft zunehmend verschlechtert. Auch vor ihrer Arbeitskollegin und mütterlichen Freundin Kathy verbirgt sie, wie schlimm es schon ist. Wenn Selma nicht arbeitet oder sich um ihren Sohn kümmert, flüchtet sie sich in Musical-Tagträume, in denen sie der Star ist, denn Musicals sind ihre große Leidenschaft. Als Selma ihrem Vermieter anvertraut, warum sie eine große Geldsumme gespart und versteckt hat, kommt es zu einem Zwischenfall mit tragischen Konsequenzen.
Wie ist der Film?
Der dritte Teil von Lars von Triers ‚Golden Heart‘-Trilogie. Da sich das Mittelstück „Idioten“ stilistisch deutlich vom Rest unterscheidet und dort längst nicht so konsequent eine alleinige Hauptfigur behandelt wird, geht „Dancer in the Dark“ vor allem mit dem vier Jahre zuvor erschienenen „Breaking the Waves“ eine Symbiose ein. Ob man nun „Breaking the Waves“ oder „Dancer in the Dark“ vorzieht, ist letztlich reine Geschmackssache. Beide Filme erzählen von einer kindlich und naiv wirkenden Protagonistin, die bereit ist, für ihre Liebe alles zu opfern. Was für Bess aus „Breaking the Waves“ der Ehemann und regelmäßige Gebete sind, ist für Selma in „Dancer in the Dark“ der heranwachsende Sohn und die Flucht in Musical-Tagträume.
Von Trier arbeitet wieder mit wackeliger Handkamera-Technik, die eine starke Nähe zu den Figuren herstellt, aber auch eine gewisse Eingewöhnungszeit erfordert. Die Musical-Einlagen stechen durch etwas gesättigtere Farbgebung, Staccato-Schnitt und unzähligen Kameraperspektiven heraus, sind also nicht ganz Musical-typisch, aber eine fröhliche Wohltat zwischendurch. Die sonstige Handlung zieht einen in ein tiefes Meer der Hilflosigkeit. Sei steigert sich mehr und mehr bis zum Kollaps der Emotionen, sodass sowohl für die Hauptfigur als auch für das Publikum die musikalischen Unterbrechungen einen Rettungsanker darstellen und das Gesehene verarbeiten lassen. So unpassend die Musical-Einlagen sind, so notwendig sind sie auch.
Künstlerin Björk, die die von ihr vorgetragene Musik selbst geschrieben hat, ist durch ihre abgefahrenen Auftritte verständlicherweise eine polarisierende Persönlichkeit. Doch ob man sie mag oder nicht, von Trier entlockt ihr in „Dancer in the Dark“ eine sehr intensive, mitreißende Darbietung, und das in ihrer ersten Filmrolle. Der Regisseur und Autor beweist somit einmal mehr sein goldenes Händchen für Debütantinnen. Eine ähnlich interessante Wahl für eine größere Nebenrolle ist Catherine Deneuve („Ekel“). Wer die französische Berühmtheit und ihr erhabenes Image kennt, dürfte es zunächst schwierig haben, sie in der Rolle einer Fabrikarbeiterin zu akzeptieren. Doch Björk stiehlt sie nie die Show und wenn sie dann und wann in einer Musical-Einlage mitwirkt, passt auch alles wieder zusammen. Nennenswert bleibt noch David Morse („The Green Mile“) in einer grausam tragischen Rolle.
Von Trier ist, speziell im Vergleich mit „Breaking the Waves“, ein Stück direkter, extremer geworden. Er hält die Religiosität ganz im Subtext, lässt etwas weniger Raum für Symbolik und eigene Schlüsse und büßt damit auch etwas Glaubwürdigkeit ein. Die etwas straffere Laufzeit von ‚nur noch‘ 139 Minuten, gespickt mit den träumerischen Gesangseinlagen als Hommage an die guten alten Musicalfilme à la „Singin’ in the Rain“, erlaubt dafür noch weniger Längen. Das alles sind Nuancen und es läuft wie erwähnt auf eine Geschmackssache hinaus. Doch am Ende ist der famos gespielte, faszinierend klingende „Dancer in the Dark“ wie ein harter Faustschlag in die Magengrube und zeigt, dass von Trier sich in puncto Intensität nochmal selbst übertroffen hat.
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