Originaltitel: Toni Erdmann
DE, AT | 2016 | 162 Min. | FSK: ab 12
Drama, Komödie
Regie: Maren Ade
Drehbuch: Maren Ade
Besetzung: Peter Simonischek, Sandra Hüller u.a.
Kinostart: 14.07.16
DVD/Blu-Ray VÖ: 23.12.16
Links zum Film:
IMDb | Wikipedia
Szenenbild © Komplizen Film
Worum geht’s?
Musiklehrer Winfried Conradi verbringt einen ruhigen Lebensabend, während seine Tochter Ines in Bukarest als Unternehmensberaterin arbeitet. Als sein Hund stirbt, stattet Winfried Ines einen Überraschungsbesuch ab. Ines zeigt sich wenig begeistert und bleibt auf ihren kräftezehrenden Job fixiert. Schließlich erfindet der stets zu Späßen aufgelegte Winfried mit Perücke und Scherzgebiss die Kunstfigur Toni Erdmann. Toni stellt sich als Geschäftsmann vor und bringt Ines‘ Arbeitsalltag gehörig durcheinander.
Wie ist der Film?
„Toni Erdmann“ besticht durch die ungewöhnliche Herangehensweise der Regisseurin und Autorin Maren Ade („Alle Anderen“). Der Film entstand erst im Schnitt, nachdem aus rund 100 Stunden Material eine stimmige Auswahl getroffen wurde. Gnadenlos lies Ade die Kamera weiterlaufen, bis sie in jeder Szene zum Kern ihrer Besetzung und deren Charaktere vorgedrungen war. Ein grausamer Luxus, der sich weitgehend auszahlte. Denn die schauspielerische Authentizität, die „Toni Erdmann“ selbst in bizarren Situationen an den Tag legt, ist schlicht großartig.
Sandra Hüller und Peter Simonischek spielen mit brillanter Natürlichkeit ein zerworfenes Vater-Tochter-Gespann, das sich Stück für Stück wiederfindet. Auch die zahlreichen Nebenfiguren fügen sich harmonisch in das Spiel ein. Die Schauplätze im Ausland mit ihren normierten Business-Bereichen pointieren die Verlorenheit beider Parteien und erinnern leise an Geschichten wie „Lost in Translation“ oder „Up in the Air“.
Im Rahmen der Familiendramödie lässt der Film noch weitere Themen wie Sexismus und Kapitalismus mitschwingen, hebt jedoch keinen Zeigefinger und driftet nie in Kitsch ab. Eine subtile Erzählweise, die dem Publikum viel zutraut. Viel fordert auch die extreme Laufzeit von über zweieinhalb Stunden, zumal nur ausgewählte Momente wirklich mitreißen. Der Erzählfluss gerät kaum ins Stocken und die lange Reise mit den Figuren hat etwas für sich, aber Ade hätte ihre Anliegen auch wesentlich kompakter ausdrücken können, ohne nennenswerte Abstriche.
Nach diversem Leerlauf beweist „Toni Erdmann“ mit einer wunderbar skurrilen Katharsis und dezent berührendem Abschluss nochmal Stärke. Ein außergewöhnlicher Film zwischen den Genres, der sich trotz extremer Momente bemerkenswert echt anfühlt, vor allem interessant für Programmkinofans mit ausgeprägtem Sitzfleisch.
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