Originaltitel: I’m Still Here
USA | 2010 | 107 Min. | FSK: ab 16
Mockumentary
Regie: Casey Affleck
Drehbuch: Casey Affleck, Joaquin Phoenix
Besetzung: Joaquin Phoenix, Sean ‘P. Diddy’ Combs, Antony Langdon, Ben Stiller u.a.
Kinostart: 11.08.11
DVD/Blu-Ray VÖ: 13.01.12
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Worum geht’s?
Schauspieler Joaquin Phoenix hat es satt, immer nur nach Regieanweisungen anderer zu handeln. Er hat es satt, die Rolle des Joaquin Phoenix zu spielen. Also gibt er seinen Job auf und lässt sich völlig gehen. In seinem neuen Leben möchte er sich mit Hip Hop ausdrücken und lässt sich Auftritte in Nachtclubs besorgen. Nach kurzer Suche ist mit P. Diddy ein möglicher Produzent für sein Album gefunden. Dieser ist verständlicherweise skeptisch…
Wie ist der Film?
Ende 2008 schockte der 35 Jahre junge und zweifach für den Oscar nominierte Joaquin Phoenix („Gladiator“, „Walk The Line“) die Öffentlichkeit mit der Nachricht, er würde die Schauspielerei für immer an den Nagel hängen und fortan eine Karriere als Hip-Hop-Musiker starten, was vor allem durch seinen berühmt-berüchtigten Auftritt in der Late Show mit David Letterman für Furore sorgte. Kurz nach der Premiere des von Phoenix‘ Schwager Casey Affleck realisierten Dokumentarfilms über jenen Werdegang vom Schauspieler zum Rapper wurde verlautet, dass alles ein großer Scherz gewesen sei. Phoenix und Affleck wollten die Leute, die oft auch denken, Reality-TV-Shows hätten kein Drehbuch, nach allen Regeln der Kunst an der Nase herum führen – mit großem Erfolg.
Es war eine so völlig unverhoffte, so absurd klingende Verkündung des vermeintlichen Schauspiel-Frührentners, und es war ein so verheerender Anblick, den er kurz darauf bei seinen schrägen Auftritten in den Medien bot. Und dennoch mussten wir all unsere Skepsis zurückstecken, dank der schier unglaublichen Konsequenz, mit der Phoenix seine Rolle eben nicht nur im Film, sondern auch außerhalb verkörperte. In „I’m Still Here“ entfaltet sich dann das wahre Grauen: Ein fetter, heiser klingender, kettenrauchender, unrasierter, quasi völlig verwahrloster und ständig pöbelnder Phoenix. Das ist Method-Acting par excellence und allgemein eine absolut geniale Aktion. Nur der Film an sich ist, insbesondere im Wissen, dass die Geschichte eine Ente ist, schlichtweg unangenehm.
Vor kaum einer Geschmacklosigkeit wird in „I’m still here“ halt gemacht, Phoenix und seine Komplizen gehen in dieser Hinsicht aufs Ganze. Wild zusammenmontierte Ausschnitte von schwankender Bild- und Tonqualität samt ständiger mehr oder weniger sinnfreier Einschübe formen zwar eine gewisse Authentizität und liefern hier und da unterhaltsame Provokation (Höhepunkte sind etwa Phoenix‘ „Konzerte“ oder der Spott über seinen „letzten“, tatsächlich existierenden Film „Two Lovers“), strapazieren aber auch Geduld und Nerven des Publikums. Phoenix gebührt großer Respekt für die Beharrlichkeit und die Überzeugungskraft, mit der er seine kuriose Rolle spielte. Der Film, der dabei entstand, war es allerdings nicht wert, sondern das Drumherum, das Experiment an sich. Daher darf man dem Darsteller gratulieren und angesichts von „I’m Still Here“ trotzdem abschalten.
„I’m Still Here“ ist das abstoßende Vermächtnis eines raffinieren wie erfolgreichen Experiments. Sich das in voller Länge anzutun, lohnt nicht wirklich, selbst wenn es dezent zum Nachdenken anregt und viele prominente Gastauftritte auffährt. Es genügt völlig, vor Phoenix‘ und Afflecks groß angelegtem Scherz den Hut zu ziehen und sich zu freuen, dass die Welt einen der – das weiß man allerspätestens jetzt – talentiertesten und experimentierfreudigsten Schauspieler Hollywoods zurück hat.
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