Die Kunst zu gewinnen – Moneyball

Filmposter Moneyball

6.5/10

Originaltitel: Moneyball
USA | 2011 | 133 Min. | FSK: ab 0
Drama, Sportfilm, Romanadaption
Regie: Bennett Miller
Drehbuch: Steven Zaillian, Aaron Sorkin, Stan Chervin
Besetzung: Brad Pitt, Jonah Hill, Philip Seymour Hoffman u.a.
Kinostart: 02.02.12
DVD/Blu-Ray VÖ: 21.06.12

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | film zeit
Bilder © Sony Pictures

Worum geht’s?

2001. Billy Bean, Ex-Spieler und Manager des Baseballteams Oakland Athletics, hadert mit dem vergleichsweise lächerlich kleinen Budget, das ihm zum Spielereinkauf zur Verfügung steht. Da trifft er bei der Konkurrenz auf den jungen Wirtschaftswissenschaftler Peter Brand, erkennt sein Potential und engagiert ihn vom Fleck weg. Gemeinsam überlisten die beiden das unfaire, von Geld bestimmte Geschäft und verwenden ein System, mit dem man auch ohne teure Starspieler zu Erfolgen kommt. Mit dem im Alleingang völlig umgekrempelten Konzept macht Bean sich natürlich nicht nur Freunde…

Wie ist der Film?

Dass es für den Erfolg nicht nur darauf ankommt, das Team mit angesagten, leistungsstarken Stars zu besetzen, zeigt „Moneyball“ gleich im mehrfachen Sinne. So wird zum einen im Film eine belächelte Untergrund-Baseballmannschaft dank purer Mathematik und Wirtschaftsstrategie mit neuer Aufstellung zu einer Traumsaison geführt. Zum anderen wurden für die Umsetzung der Geschichte die Oscar-Gewinner Aron Sorkin („The Social Network“) als Drehbuchautor, Wally Pfister („Inception“) als Kameramann und Philip Seymour Hoffmann („Capote“) als Nebendarsteller engagiert, und trotzdem bleibt das Endprodukt klar hinter den Mitstreitern der Saison zurück.

Szenenbild MoneyballEs geht in „Moneyball“ nicht unbedingt um Baseball. Indem von der gängigen Sportfilm-Dramaturgie mit dem ultimativen Sieg zum Schluss dezent abgewichen wird, offenbaren sich die wahren Themen: Es geht um das Konzept von Erfolg, Ideale, wichtige Entscheidungen und den Mut, sich als Außenseiter der Masse entgegenzustellen – aus dem Leben gegriffene Motive, für die der Sport nur eine Metapher ist. Im Hinblick darauf, dass die Vorlage gar kein richtiger Roman, sondern ein wirtschaftswissenschaftliches Sachbuch mit Fallstudien ist, darf man die Adaption zum Kinostoff als geschickt und gelungen betrachten. Zwangsläufig ist der Film aber eine zwiespältige Angelegenheit.

„Moneyball“ ist penibel um Authentizität bemüht und rekonstruiert die Oakland Athletics von 2001 bis ins kleinste Detail. Eingearbeitete, reale Archivaufnahmen, die sich fließend mit der Inszenierung verbinden, sind der stolze Beweis dafür. Dazu liegt viel Wert auf Bodenständigkeit. Nie wird glorifiziert; nie übersteigt die Romantik das Maß, das ein echter Sportskerl zu zeigen bereit wäre. Trotzdem ist „Moneyball“ keine Dokumentation, sondern erzählt ein Drama, das mit üblichen Tricks die üblichen Knöpfe beim breiten Publikum zu drücken hat, um selbiges zu berühren. Das Ausbalancieren von authentischer Erscheinung und mitreißender Machart gelingt im Großen und Ganzen. Dazwischen gefangen gerät der Film allerdings nicht selten ins Plätschern und kann kaum wirkliche Tiefe erlangen.

Produzent und Hauptdarsteller Brad Pitt („The Tree of Life“) schlüpft konsequent in die Rolle des Managers Bean und gibt den zweifelnden aber aufrechten Amerikaner souverän. Die Rolle kann nicht allzu weit von ihm weg sein, weshalb er sie auch so glaubhaft spielt. Um die Oscar-Nominierung, die er hierfür erhielt, zu rechtfertigen, fehlt allerdings der Wow-Effekt. Jonah Hill („Männertrip“) wurde auch gleich eine Nominierung als bester Nebendarsteller geschenkt, offenbar als Dank dafür oder aus lauter Überraschung darüber, dass er sich auch mal in einer ernsten Rolle zeigt. Er reißt sich am Riemen und zieht als skurriler Statistiker die Blicke auf sich, eigentlich nichts Großes. Unterdessen wirkt der große Philip Seymour Hoffmann („The Ides of March – Tage des Verrats“) etwas unterbeschäftigt. Wieder zeigt sich: Die großen Namen allein drehen das Ding nicht.

Nicht nur zufällig erinnert „Moneyball“ an den ein Jahr älteren, auch sehr amerikanischen Quasisportfilm „Blind Side – Die große Chance“, stammt die Vorlage doch vom selben Autor. „Blind Side“ allerdings fährt ganz die Gefühlsschiene, während „Moneyball“ es besser machen will, dafür aber ein wenig den emotionalen Bums vermissen lässt, trotz gutem, leisem Humor und manchen bewegenden Momenten. Ein cleverer Kniff für die Zugänglichkeit war es, Beans analytische Helfer zu einer fiktiven Figur, die von Jonah Hill, zu vereinen. Geglückt ist auch der behutsam eingeführte Nebenstrang mit Beans Tochter, welcher die Charakterzeichnung vertieft, ohne zu sehr vom Hauptthema abzulenken. Auf der Kehrseite ist „Moneyball“ dann wieder sehr sportlich-realistisch, inklusive Fachjargon, obwohl es doch auch viel mehr als nur ein Sportfilm sein soll.

Was man von Baseball nicht versteht, kann man hierzulande auf unseren geliebten Fußball übertragen. Der Rest sind Geschichten des Lebens, wie sie wohl jeder versteht, verpackt als überzeugendes, fingerfertiges, sensibles, angenehm dezentes, aber eben auch nicht besonders spannendes, zwiespältiges Sommermärchen.

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3 Kommentare

  1. Tolle Kritik, nur die falsche Bewertung. Was du da nämlich beschreibst ist genau das tolle: Reales Leben von Hollywood verpackt. Das macht doch die Qualität des “neuen” Hollywoods aus. Eine große Geschichte bodenständig zu erzählen. Da muss man eben nicht mit den großen Gefühlsszenen kommen oder den Mega-Spannungsbogen aufbauen.
    Moneyball ist ein unaufdringlicher Film, ein Blick hinter die Kulissen, eine Geschichte über Mut und über das Geschäft. Dazu dreht sich alles um Baseball. Batt Pitt spielt besser den je sich selbst (er kann auch nix anderes). Warum sollte der Film keinen Oscar bekommen?
    Für mich eine unaufdringliche Überraschung, denn hier wird sensibel, authentisch und trotzdem groß erzählt.
    Ein Film muss einen nicht immer aus den Socken hauen.

    • Freut mich, dass du mir noch so weit zustimmst. 🙂
      Das ist dann halt wieder eine Frage der eigenen Philosophie. Ich erwarte von Filmen grundsätzlich, dass sie mich – auf welche Weise auch immer – unterhalten. Und da schwächelte „Moneyball“ bei mir einfach etwas. Richtig, ein Film muss nicht immer aus den Socken hauen. Um bei mir eine deutlich bessere Wertung zu erhalten allerdings schon. 😉

1 Trackback / Pingback

  1. Review: MONEYBALL | ChristiansFoyer

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