Der Prozeß

Filmposter Der Prozeß

6.5/10

Originaltitel: Le Procès
DE, FR, IT | 1962 | ca. 118 Min. | FSK: ab 16
Drama
Regie: Orson Welles
Drehbuch: Orson Welles
Besetzung: Anthony Perkins, Orson Welles, Jeanne Moreau, Romy Schneider u.a.
Kinostart: 02.04.63
DVD/Blu-Ray VÖ: 05.06.08

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | Filmposter

Worum geht’s?

Josef K. wird eines Morgens völlig unerwartet verhaftet und muss sich vor einer ominösen Gerichtsinstanz verantworten. Er sucht Hilfe bei verschiedenen Personen und droht an seinem völlig undurchsichtigen Fall zugrunde zu gehen.

Wie ist der Film?

In seiner Gesamtheit wird der verworrene und unvollendete Roman „Der Proceß“ von Franz Kafka wohl unverfilmbar bleiben. Doch Orson Welles leistete mit seiner freien Interpretation des Stoffes immerhin eine sehr interessante Arbeit.

Antohny Perkins (Norman Bates in „Psycho“) erweist sich als sehr passende Besetzung des Protagonisten Josef K., nachdem man seiner Figur im Film eine gewisse Nervosität zugeschrieben hat, die bei K. im Buch so nicht ersichtlich ist. Perkins ist groß, schlank, dunkelhaarig, wie man sich K. wohl vorstellt. Denn es gibt gute Gründe sich K. wie den Autor Kafka vorzustellen, ebenfalls ein großer, schlanker, dunkelhaariger Mann, da viele schlüssige Interpretationen des Romans deutliche Parallelen zwischen K. und Kafka aufzeigen. Auf ebendies wollte Welles offensichtlich mit seinen neu geschriebenen Dialogen im Film verweisen, etwa wenn K. in Fräulein Bürstners Zimmer von seinem Vater und seinen ständigen, unbegründeten Schuldgefühlen erzählt. Schön, dass Welles sich für seine Interpretation mit der Beziehung K. – Kafka auseinandersetzte.

Die Nebendarsteller sind für den Kenner des Romans ebenfalls akzeptabel, wenn auch der russische Akzent von Block, gespielt von Akim Tamiroff, und der österreichische Dialekt von Romy Schneider, die die Leni spielt, ein wenig irritierend daher kommen. Zudem wirkt die immense, „gentleman-hafte“ Ausstrahlung von Orson Welles, der es sich nicht hat nehmen lassen den Advokaten zu verkörpern, etwas fehl am Platz. Vielleicht ist sein Gesicht einfach zu berühmt für die Darstellung einer solchen Nebenfigur.

Man weiß, dass die Kapitel des Romans keine feste Reihenfolge haben, da es sich bei „Der Proceß“ um ein Fragment handelt. Dies löst der Regisseur durch Weglassen und Umdeutung einiger Begebenheiten, was im fertigen Film schließlich recht plump wirkt, wenn verschiedene Stellen aus dem Buch nahtlos aneinandergereiht werden. Das lässt sich wiederum damit entschuldigen, dass ohnehin alles ein albtraumhaftes und völlig surreales Szenario ist.

Was Orson Welles neben seiner strittigen Auslegung von Kafkas Originaltext zweifellos gelang, ist, die bedrückende, rätselhafte Grundstimmung und die triste Anonymität der Stadt, wie sie auch der Roman transportiert, eindrucksvoll einzufangen. Die Drehorte und Sets sind das klare Herzstück des Films, sorgfältig ausgearbeitet, großartig und einfach… kafkaesk.

Leider wird der Film der mehr als außergewöhnlichen literarischen Vorlage nicht ganz gerecht, unter anderem auch, weil die Parabel „Vor dem Gesetz“, auch bekannt als „Türhüterlegende“, ein Kernstück des Buchs, zu wenig Beachtung findet. Doch das ist vielleicht eher eine Frage der Interpretation, was sich auch der Regisseur gedacht haben muss. Daher ist Orson Welles‘ „Der Prozess“ eine ganz eigene, in erster Linie optisch und atmosphärisch überzeugende Version von Kafkas verstörendem Meisterwerk. Der Rest ist Geschmackssache.

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