Hannibal

Hannibal

7/10

Originaltitel: Hannibal
USA | seit 2013 | ca. 43 Min. | FSK: ab 18
Krimi, Horror, Thriller, Drama
Idee: Bryan Fuller
Drehbuch: Bryan Fuller u.a.
Besetzung: Hugh Dancy, Mads Mikkelsen, Laurence Fishburne, Caroline Dhavernas, Hettienne Park u.a.
DVD/Blu-Ray VÖ: 20.12.13 / 04.12.14 / 21.01.16

Links zur Serie:
IMDb | Wikipedia
Bilder © STUDIOCANAL

Worum geht’s?

Will Graham arbeitet als Special Agent für das FBI, da er die Gabe besitzt, durch außerordentliche Empathie die Vorgehensweise eines Mörders zu rekonstruieren, wenn er dessen Tatort sieht. Da Graham jedoch psychisch labil ist, was sich durch seine FBI-Arbeit nur noch verschlimmert, stellt ihm der Abteilungsleiter den renommierten Psychiater Dr. Hannibal Lecter zur Seite. Zunächst ahnt niemand, welche grausamen Geheimnisse Lecter hütet…

Wie ist die Serie?

Gewagt, Thomas Harris‘ vierteilige Romanreihe über den intellektuellen Kannibalen Hannibal Lecter nach fünf Filmadaptionen noch weiter auszuschlachten. Aber Schöpfer Bryan Fuller („Heroes“) geht den richtigen Weg: Er erzählt einen Teil aus dem Lecter-Kosmos, den Harris und die Verfilmungen niemals ausformulierten, der aber dennoch tatsächlich interessant ist und die literarische Vorlage in Ehren hält. Wir tauchen mit Fullers „Hannibal“ in die Vorgeschichte des ersten Romans „Roter Drache“ ein. Was der Romanautor am Rande erwähnte, spinnt die Serie weiter und kreiert daraus eine interessante Mischung aus Krimi, Horror und Drama auf der Höhe der Zeit.

Gewagt ist auch, die tragenden Rollen höchst unzuverlässig darzustellen. Mads Mikkelsen („Die Jagd“) ist als Hannibal das Aushängeschild der Serie. Als Däne unter Amis erhält er fast wie von selbst die exotische Aura, die seine Figur braucht. Bekanntlich kann er überdies auch hervorragend schauspielern. Er zeichnet ein ganz eigenes Bild des berühmten Charakters, und doch harmoniert es mit dem Hannibal-Bild, das Anthony Hopkins mit seiner vielfach preisgekrönten Darstellung in „Das Schweigen der Lämmer“ in die Popkultur einbrannte. Mikkelsen fasziniert durch seine kultivierte Art. Er verkörpert eine Figur, die man für ihre Perfektion bewundert, ein ähnlicher Effekt wie bei Dale Cooper in „Twin Peaks“, nur dass „Hannibal“ die Sympathien längst nicht so klar verteilt.

Hannibal-EnsembleHugh Dancy („In guten Händen“) ist sogar deutlich häufiger zu sehen als Mikkelsen. Als eigentliche Hauptfigur Will Graham nimmt er das Publikum mit auf einen Weg des psychischen Verfalls. Laurence Fishburne („Man of Steel“) dient in der Rolle des FBI-Abteilungsleiters als rationales Bindeglied, macht sich durch seine herrische Art aber auch Feinde. Jede dieser Hauptfiguren hat eine deutliche Kehrseite. Aufgefangen wird diese grimmige Konstellation in erster Linie von Caroline Dhavernas als Psychologin Dr. Alana Bloom, die auf einer männlichen Figur aus dem Buch „Roter Drache“ basiert. Clevere Entscheidung, sie zur Frau umzudichten. Klischeehaft wirkt eigentlich nur die skrupellose Reporterin, gespielt von Lara Jean Chorostecki. Als besonderes Schmankerl bleiben die Gastauftritte, zunächst in Form einer bezaubernd-kühlen Gillian Anderson („Akte X“).

Am gewagtesten sind schließlich die Gewaltdarstellungen. Gerade für eine NBC-Serie hat „Hannibal“ außerordentlich brutale Bilder zu bieten, die sich sogar als elementarer Bestandteil des Konzepts herausstellen. Die Folgen drehen sich um grausig zugerichtete Leichen, die, genau wie die kulinarischen Gerichte des Hobbykochs Lecter, zu brillanten Kunstwerken überhöht werden. „Hannibal“ zehrt von der Ästhetik des Grausamen – ein provokantes wie spannendes Stilmittel. Weit über diese drastischen Bilder hinaus arbeitet die Serie mit einer ganz bestimmten Atmosphäre. Der Grundton ist unaufgeregt, ernst und geradezu deprimierend. Es kann unter Umständen anstrengend sein, sich auf diese Stimmung einzulassen. Auf der anderen Seite weist „Hannibal“ über die erste Staffel hinweg eine beachtlich konstante Grundspannung auf.

DVD-Cover Hannibal Staffel 2Um die Abenteuer und Leiden des Will Graham nachfühlbar zu machen, verwendet „Hannibal“ solide bis gute Computereffekte. Die experimentierfreudige Musik von Brian Reitzell („Beginners“) reicht von melancholisch bis angsteinflößend – so, wie die Serie sein soll. Die Bilder sind in einem Wort zu beschreiben, entsprechend der titelgebende Hauptfigur: elegant. Elegant benutzt „Hannibal“ auch die einzelnen Fälle der einzelnen Folgen, um die staffelübergreifende Hauptgeschichte weiterzuerzählen. Nur die Selbstverständlichkeit, mit der in Grahams Revier immer wieder neue Mörder mit auffälligem Faible für Körperschändung auftauchen, entzieht sich der Glaubwürdigkeit.

Nach 13 ersten Folgen, die von Kritik und Publikum gleichermaßen begeistert aufgenommen wurden, erzählt Staffel 2 im gleichen Stil auf gleichem Niveau weiter und weiß sich sogar noch zu steigern. Noch tiefere Einblicke in die etablierten Charaktere sind an der Tagesordnung, und damit einhergehend auch schockierende Überraschungen. Kennt man die Figuren besser, wird ihr Schicksal erst recht unberechenbar. Dazu gesellen sich noch mehr interessante Gaststars, teils als Anspielung auf die literarische Vorlage. Schauspielerische Ausfälle gibt es nicht. Die Figuren sind bald sehr zahlreich, doch „Hannibal“ beweist ein bedachtes Erzählkonzept und ein exzellentes Gespür dafür, wann zurückgestellte Handlungsstränge wieder hervorgeholt gehören.

Leicht fade, dass ein Großteil der ersten Hälfte von Staffel 2 stark an den immer gleichen Schauplatz gebunden ist, doch danach geht es frisch und frei weiter, bis hin zu einem hochtrabenden, am Ende leider nur bedingt befriedigenden Finale. Mittlerweile verstärkt sich der Eindruck einer exzessiven Zeitlupenästhetik, welche in Staffel 3 ihren Höhepunkt erreicht. Die zelebrierte Langsamkeit voller Traumszenarien und Fokus-Spielen birgt eine hypnotische Faszination, kann aber – und das ist die grundsätzliche Gefahr – auch einlullend wirken, zumal die Serie noch dazu sehr redselig ausfällt.

DVD-Cover Hannibal Staffel 3Besonders die dritte und letzte Staffel stützt sich stark auf allerlei ‚Beauty Shots‘ in einer noch trübsinnigeren Atmosphäre und erzählt dabei wenig. Die Figurenkonstellation ist zersprengt, und mit ihr die unterhaltsame Fall-Struktur der Serie, bis sich das Puzzle mühsam neu zusammengesetzt hat. Nach einer behäbigen ersten Hälfte folgt ein jäher Bruch. Ein neuer Handlungsbogen, der wieder stärker an die literarische Vorlage erinnert, wird aus dem Hut gezaubert; frühere Markenzeichen kehren zurück. Die Zweiteilung der Staffel und im Allgemeinen das ständige Entkommen Hannibals aus seinen Fallen wirken konstruiert. Dafür bleibt die Serie ihrer Unberechenbarkeit treu und mündet in eine düster-romantische Schlussszene, mit der Fans ihren Seelenfrieden finden. Dabei stand zum Drehzeitpunkt noch gar nicht fest, dass NBC die Serie wegen miserabler Quoten absetzt.

Das Gesamtbild nach dreimal 13 Episoden bleibt unrund, aber zumindest abwechslungsreich. Eine Flut aus technischen Spielereien und geschliffenen Dialogen droht, klassische Unterhaltungsfaktoren unter sich zu begraben. Vorsicht. Nichtdestotrotz ist „Hannibal“ eine intelligente, teils richtig unheimliche und grandios widerliche Psychothriller-Krimiserie, die besonders handwerklich auf bemerkenswert hohem Niveau rangiert. Ein mit der Zeit sehr buntes Ensemble lockt zudem auch Fans, die Blutbäder normalerweise meiden.

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