Originaltitel: Sherlock
GB | seit 2010 | ca. 90 Min. | FSK: ab 12
Krimi
Regie: Paul McGuigan, Euros Lyn, Toby Haynes, Jeremy Lovering, Colm McCarthy, Nick Hurran
Drehbuch: Mark Gatiss, Steven Moffat, Stephen Thompson
Besetzung: Benedict Cumberbatch, Martin Freeman u.a.
DVD/Blu-Ray VÖ: 08.08.11, 29.05.12, 27.09.13, 10.06.14, 29.03.16, 12.06.17
Links zur Serie:
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Worum geht’s?
Der selbsternannte ‚Consulting Detective‘ Sherlock Holmes gründet mit dem gerade erst kennen gelernten Militärarzt Dr. John Watson eine Wohngemeinschaft in der Londoner 221b Baker Street. Kurz darauf lösen die beiden schon einen ersten Fall, bei dem Detective Inspector Greg Lestrade von Scotland Yard Sherlocks Mithilfe erbittet. John veröffentlicht einen Blog über die Abenteuer mit Sherlock, durch den das Duo große Bekanntheit erlangt. Später empfangen Sherlock und John ihre eigenen Klienten, die ihnen Ihren Lebensunterhalt sichern.
Wie ist die Serie?
Eine simple wie geniale Idee. „Sherlock“ überträgt die berühmten Detektivgeschichten rund um Sherlock Holmes und Dr. Watson von Sir Arthur Conan Doyle aus dem 19. Jahrhundert in das London der Gegenwart, unter starkem Einbezug neuer technischer Errungenschaften wie Smartphone und Laptops. Dabei orientieren sich die Schöpfer Steven Moffat und Mark Gatiss („Dr. Who“) nur lose an den Originalen, bringen aber immer wieder augenzwinkernde Anspielungen auf selbige unter, sei es im Titel einer Folge („Eine Studie in Pink“ statt „Eine Studie in Scharlachrot“), oder bei bestimmten Charaktereigenschaften der Hauptfiguren (Holmes verwendet Nikotinpflaster statt Pfeife zu rauchen und findet es albern, einen Hut zu tragen).
Durch die Spielfilmlänge der Folgen liegt die Betrachtung als Filmreihe nahe; die wiederkehrenden Nebenfiguren, die folgenübergreifenden Handlungsstränge sowie diverse Cliffhanger identifizieren „Sherlock“ jedoch als Serie.
Staffel 1
Staffel 1 beginnt in „Ein Fall von Pink“ mit einer schönen, humorvollen Einführung der ambivalenten Hauptfiguren und liefert gleich einen ersten, spannenden Fall. Der Mörder ist im Kontext der Serie beliebig und hat noch nicht direkt mit dem später typischen Figuren-Netz zu tun, deutet allerdings schon einen späteren Schlüsselcharakter an. Eine erste Mörderjagd zum Warmwerden, dramaturgisch sehr rund, mit einem sehr gelungenen Schluss.
Aus ungeklärten Gründen vermisst man in Folge 2, „Der blinde Banker“, den gewohnten Inspector Lestrade. Das China-Milieu erweist sich als weniger charmant als das sonstige Revier von Holmes und Watson. Die Geschichte ist recht verkopft, und dafür bleibt nach der mittelmäßigen Schlusspointe der gewisse Aha-Effekt aus. Der schwächelnde Mitteteil der Staffel; bei einer derartig hochwertigen Serie ist das aber auch nur Jammern auf hohem Niveau.
Das Staffelfinale „Das große Spiel“ liefert eine eher unspektakuläre Aufklärung einer Mordserie, konzentriert sich dafür aber auf einen wunderbar altmodischen Showdown mit einem coolen Auftritt des ultimativen Superbösewichts der Serie. Der Cliffhanger gibt dem Publikum den Rest. Sehr gut.
Staffel 2
Eigentlich gehören die letzte Folge der ersten und die erste Folge der zweiten Staffel zusammen; ein armer Mensch, wer dazwischen warten musste. Und der Auftakt von Staffel 2 könnte furioser kaum sein. Auffallend viele überraschende Wendungen und ausgeklügelte visuelle Effekte dominieren „Ein Skandal in Belgravia“. Dazu eine Femme fatale, die der Charakterisierung der titelgebenden Hauptfigur völlig neue, packende und sehr unterhaltsame Dimensionen eröffnet. Ein genialer, emotionaler Höhepunkt der Serie.
Und wieder ist es die mittlere der drei Folgen, die nicht so recht mit dem Rest mithalten kann. Der Titel „Die Hunde von Baskerville“ weckt freudige Assoziationen mit Sherlock Holmes‘ wohl berühmtestem Abenteuer und damit Erwartungen, denen diese Füllfolge nicht standhalten kann. Leider verhältnismäßig vorhersehbar und mit bemühtem Twist, insgesamt aber immer noch ein guter, unterhaltsamer Krimi.
Nach einem Auswärtsspiel begrüßt man in „Der Reichenbachfall“ gern wieder alle liebgewonnenen Nebenfiguren. Pünktlich zum Staffelende schlägt Sherlocks Erzfeind mit voller Wucht zurück. Superfiese falsche Fährten stürzen das Publikum in Zweifel und sorgen für rege Diskussionen. Das Finale geht wirklich unter die Haut und erzielt genau die richtige Wirkung: Sehnsucht nach Staffel 3.
Staffel 3
Natürlich dreht sich der Auftakt von Staffel 3 um die große Frage, die der Cliffhanger von Staffel 2 stellte: Wie ist Sherlock lebend davongekommen? „Der leere Sarg“ spielt genüsslich mit Verschwörungstheorien, um das Publikum hinters Licht zu führen, und verweigert eindeutige Auflösungen – clever als Interaktion mit der Fangemeinde. Autor Steven Moffat bewältigt mit Müh und Not die Aufgabe, sowohl von Sherlocks Rückkehr und deren Auswirkungen zu erzählen, als auch mal eben einen neuen Fall aufzurollen. Dadurch kommt die Handlung schwer in die Gänge und verbleibt mit vielen Erzählsträngen, die Moffat zwar virtuos zusammenlaufen, aber auch fragmentarisch wirken lässt. Eine vollgepackte Aufwärm-Folge mit hohem Suspense-Faktor und einem leider recht passiven Watson.
„Im Zeichen der Drei“ ist einerseits die unglaubwürdigste und am chaotischsten erzählte Folge der Staffel, andererseits aber auch die unterhaltsamste. Eine Hochzeit, und besser noch: ein feuchtfröhlicher Junggesellenabschied – diese für die Titelhelden höchst ungewöhnlichen Situationen bleiben im Gedächtnis. Viele kleine Geschichten aus einer Trauzeugenrede ergeben eine große. So eine Collage ist eigentlich ein billiger Trick, wenn Serienautoren die Ideen ausgehen, doch es wäre nicht „Sherlock“, würden die Puzzleteile am Ende nicht genau zusammenpassen. Die von gleich drei Autoren ersonnene Handlung wirkt arg konstruiert und überinszeniert, ist aber auch die mit Abstand lustigste der Staffel. Eine abgefahrene Spaß-Folge irgendwo zwischen völlig wirr und genial.
Zum Staffelende wird es wieder geradliniger und ernster, emotional und im großen Stil überraschend. Folge 3 ist eine vergleichsweise klassische „Sherlock“-Folge. „Sein letzter Schwur“ enthüllt endlich einen neuen Superbösewicht, der allerdings hinter seinem Vorgänger zurückbleibt. Watsons Frau – Aushängeschild der Staffel – sorgt für Pfiff. Leider gibt es kurz vor Halbzeit um eine lebensbedrohliche Situation übermäßig viel Trubel, während das Finale verhältnismäßig schlicht bleibt und einen bemüht wirkenden Cliffhanger herbeiführt. Unterm Strich erreicht die dritte Staffel nicht ganz das Niveau der früheren Folgen und konzentriert sich gefährlich stark auf visuelle Finesse, doch immerhin ist „Sherlock“ weiterhin herrlich unberechenbar und überzeugt mit neuen sowie alten, spannenden Charakteren.
Intermezzo
Zu Neujahr 2016 – an Ostern dann endlich auch in Deutschland – erschien eine Spezialfolge der Serie, welche die abgegriffene Bezeichnung ‚TV-Event‘ tatsächlich verdient. Als Intermezzo zwischen Staffel 3 und 4 zeigt „Die Braut des Grauens“ das bekannte Ensemble nun doch im 19. Jahrhundert, also in der Zeit des Holmes-Erfinders Sir Arthur Conan Doyle. Für das prunkvolle Flair werden keine Kosten und Mühen gescheut – ein Augenschmaus. Auch wenn Doyles Werk wie immer zur Inspiration diente, tritt der eigentliche Fall in den Hintergrund und macht Platz für Figurenbeziehungen und zahlreiche Selbstreferenzen. „Die Braut des Grauens“ versteht sich in erster Linie als Fan-Bonbon voller ironischer Anspielungen, als Einstieg in die Serie nicht geeignet, als Verkürzung der Wartezeit auf Staffel 4 umso mehr.
Ein paar Mal zu oft lassen die Autoren sich zu Meta-Witzen bezüglich des modernen Sherlocks hinreißen. So krankt das wunderbar beschwingte Special an verwirrender Effekthascherei. Wer als Fan allerdings keine Kriminalistik-Ansprüche im Geiste der ersten Staffeln stellt, hat viel Spaß an dieser erzählerischen Wildwasserfahrt.
Staffel 4
Es passiert unglaublich viel im Auftakt der Staffel 4. „Die sechs Thatchers“ schickt das Publikum in ein atemloses Wechselbad der Gefühle, in dem vor allem Amanda Abbington als John Watsons Frau nochmal ihr ganzes Potenzial ausspielen kann. Witz, Drama, Action – alles, was die Serie ausmacht, feuern die Autoren in wild konstruierten, aber kurzweiligen 90 Minuten ab.
„Der lügende Detektiv“ stellt die bitteren Nachwirkungen der Vorgängerfolge ins Zentrum und wirkt dadurch etwas konzentrierter. Schnell entpuppt sich die Episode jedoch als absoluter Mindfuck voller Wahnvorstellungen beider Hauptfiguren. Der charismatische Toby Jones („Berberian Sound Studio“) glänzt als Schurke. Und als man sich schon in Sicherheit wiegt, packt das Drehbuch noch einen echten Hammer aus. Der knappe Höhepunkt einer gewohnt guten Staffel.
Beim großen Finale „Das letzte Problem“ vergaß man leider, den Cliffhanger aus der vorigen Episode angemessen aufzulösen. Dafür wirkt diese Folge aber am eigenständigsten und filmischsten. Nicht zuletzt, weil sich die Autoren großzügig bei den „Saw“-Fortsetzungen bedienten. Die Macher nahmen sich nichts Geringeres vor, als unsere geliebten Hauptfiguren in ihren Grundfesten zu erschüttern. So weit ging es noch nie, große Emotionen regieren, allerdings zum Preis von zahlreichen erzählerischen Ungereimtheiten. Mit dem Herzen betrachtet ist „Das letzte Problem“ die mächtigste Folge der Staffel, mit dem Verstand betrachtet die schwächste und unglaubwürdigste. Ob es das nun war oder ob es weitergehen wird, bleibt offen. Das versöhnlich angeklebte Ende funktioniert für beide Fälle.
Fazit
Darauf hat die Krimiwelt gewartet: Hier versetzen detektivische Ermittlungen noch in Staunen. Und hier verfallen optische Effekte weniger dem Selbstzweck à la „CSI“, sondern sind fester Bestandteil der Handlung (zumindest in den ersten Folgen). Gäbe es nur einen der beiden Protagonisten, wäre der Reiz dahin, daher ergänzen sich Benedict Cumberbatch („Star Trek Into Darkness“) als Exot Holmes und Martin Freeman („Der Hobbit – Eine unerwartete Reise“) als Identifikationsfigur Watson so hervorragend. Das perfekt getimte Zusammenspiel raffinierter Rätselplots, spannend-gegensätzlicher Hauptfiguren, stilvoller Humoreinlagen und kreativ-hochwertiger Inszenierung macht „Sherlock“ schon jetzt zu einer der beliebtesten Serien aller Zeiten. Ein großer Wurf der BBC, der es locker mit den mächtigen US-Serien von HBO & Co aufnimmt.
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8 von 10? This is madness!
This is criticismmmmmmmmmmmmmmmmmm!!!
Nachtrag: Wegen der etwas schwächelnden dritten Staffel habe ich noch einen halben Punkt abgezogen.
Meine Lieblingsserie (10/10), es freut mich dass du dich in ein neues Gebiet gewagt hast und es hat sich gelohnt, Sherlock ist so hochwertig wie ein Kinofilm und unterstützt die Wandlung der Serienwelt im Allgemeinen.
Ich hoffe du wirst bei der dritten Staffel wieder anwesend sein, ein Teaser lässt ja bereits auf Grosses hoffen.
Staffel 3 lasse ich mir nicht entgehen.
Schließe mich Patrick an… 8/10 ist verrückt. 11/10. Punkt.
Das kann ich nur unterschreiben. Ich fand die dritte Staffel übrigens am stärksten.
Hier übrigens meine Review zur dritten Staffel: https://filmkompass.wordpress.com/2014/01/14/sherlock-3-staffel-bbc-one-omu-2014/