Originaltitel: Biutiful
MX, ES | 2010 | 147 Min. | FSK: ab 16
Drama
Regie: Alejandro González Iñárritu
Drehbuch: Alejandro González Iñárritu, Armando Bo, Nicolás Giacobone
Besetzung: Javier Bardem, Maricel Álvarez, Hanaa Bouchaib u.a.
Kinostart: 10.03.11
DVD/Blu-Ray VÖ: 13.10.11
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Bilder © EuroVideo
Worum geht’s?
Uxbal hält sich in Barcelona mit krummen Geschäften über Wasser, um sich und seine beiden Kinder ernähren zu können. Besonders mit den Chinesen und Senegalesen, die in seinem Viertel leben, baut er auf gegenseitige Unterstützung. Seine Gabe, mit kürzlich verstorbenen Menschen kommunizieren zu können, macht er nebenbei ebenfalls zu Geld. Zu den Lasten des Alltags gesellt sich plötzlich noch eine neue: Uxbal muss bald sterben.
Wie ist der Film?
Im Anschluss an Woody Allens „Vicky Cristina Barcelona“ durchstreift Hauptdarsteller Javier Bardem gleich ein weiteres Mal die katalonische Metropole. Doch statt durch die romantische Touristen-Brille sieht Regisseur Alejandro González Iñárritu Barcelona mit ganz anderen Augen und taucht in die ärmeren, schmutzigen Viertel ein. „Biutiful“ ist eine aufmerksame, intime Charakter- und Milieustudie. Obwohl Iñárritu anders als bei seinen Vorgängerwerken „Amores Perros“, „21 Gramm“ und „Babel“ eine lineare Erzählweise mit Fokus auf nur einem Protagonisten wählte, kann er es nicht lassen, seine Geschichte mit vielen verschiedenen Themen anzureichern. Dieser emotionale Rundumschlag läuft Gefahr, mehr erschöpfend als ergreifend zu sein.
Ein ausführlicher Globalisierungskommentar findet durch die multikulturellen Geschäftspartner der Hauptfigur statt und erörtert das geradezu verblüffend gut funktionierende Zusammenleben der emigrierten Randgruppen auf engstem Raum, nebenher spielt sich ein Familiendrama voller Vaterliebe und Ehekrisen ab und, als wäre das nicht genug, wird im Angesicht des Todes auf teils spiritueller Ebene über Leben und Sterben philosophiert. Glücklicherweise gelingt es Javier Bardem (Oscar für „No Country for Old Men“), diese mal mehr, mal weniger gegensätzlichen Komponenten zu bändigen und in einer beachtlich authentischen Hauptfigur zu vereinen. Wohlgemerkt begegnet ihm die Theater-erfahrene Kino-Debütantin Maricel Álvarez als depressive Ehefrau und Mutter schauspielerisch auf Augenhöge. Überhaupt hat Iñárritu erneut ein goldenes Händchen bei der Zusammenstellung seines Ensembles bewiesen, vom Star bis zum Laien.
„Biutiful“, wie es die falsche Schreibweise des titelgebenden Wortes schon andeutet, ist eine Geschichte über das Unperfekte, und eine unperfekte Geschichte. Ein sehr echt wirkendes, sehr gut gespieltes Drama mit interessantem Ende. Doch die Dialogflut wiegt schwer und der Film ist zu lang.
Zieht man nun nach Sichtung der Nominierten für den Auslands-Oscar 2011 Bilanz (den allgemein unbekannten algerischen Beitrag „Hors-la-loi“ außen vor gelassen), so ist es vor dem schrulligen „Dogtooth“ aus Griechenland, dem Moralapostel und Trophäengewinner „In einer besseren Welt“ aus Dänemark und „Biutiful“ aus Spanien doch der kanadische Kandidat „Die Frau die singt – Incendies“, der das spannendste Gesamtpaket liefert.
Harmloses Detail, das sich noch leicht korrigieren lässt: Barcelona ist nicht die Hauptstadt von Spanien. 😉 – Deine Besprechung von “Biutiful” bestätigt meine Eindrücke: Gut, aber überladen bis erschöpfend. Da Iñárritus “Amores Perros” für mich bereits einer der grossen Klassiker dieses Jahrtausends ist, habe ich die späteren Werke des Regisseurs an diesem perfekt ablaufenden Film gemessen und war im Gegensatz zu vielen Kritikern doch ein wenig enttäuscht von ihnen (insbesondere vom seltsam “zusammengeklebten” “Babel”). Meines Erachtens gehört der Regisseur zurück nach Mexico, damit er wieder ein Meisterwerk drehen kann. Spanien ist mal ein Anfang…
Huch, da habe ich Madrid glatt vergessen. Danke, Fehler ist korrigiert. Kann ich gut nachvollziehen, dass „Babel“ für dich „zusammengeklebt“ wirkt, für mich hat es aber funktioniert. Ich finde, Iñárritu tat die Emigration sehr gut, aber eine Rückkehr in die Heimat wäre sicherlich keine schlechte Entscheidung.
Ich muss “Babel” bei Gelegenheit wohl eine zweite Chance geben. “21 Gramm” hat auch bei jeder Sichtung zugelegt. Wenn ich “Amores Perros” mal bespreche, muss ich betonen, welche Rolle die Situation, in der man sich befindet, bei der Wertung eines Films spielt – auch wenn manche Kritiker so tun, als seien sie über “Subjektivität” erhaben. 🙂
Ja, ein überladener Film, wenn man nach dem Maßstäben einer dramaturgisch runden Geschichte misst.
Ich finde aber gerade durch diese Fülle gewinnt er eine größere Nähe zu Wirklichkeit und wirkt weniger konstruiert.
Was mich gestört hat, war der spirituelle Einschlag, wobei die Schlussszene wiederum einen schönen Charme hat.
Javier Bardem ist phantastisch.