Originaltitel: Stranger Things
USA | seit 2016 | 42–150 Min. | FSK: ?
Science-Fiction, Thriller, Horror, Coming-of-Age
Idee: Matt Duffer, Ross Duffer
Drehbuch: Matt Duffer, Ross Duffer u.a.
Besetzung: Winona Ryder, David Harbour, Finn Wolfhard,
Millie Bobby Brown, Natalia Dyer u.a.
DVD/Blu-Ray VÖ: —
Links zur Serie:
IMDb | Wikipedia
Bilder © Netflix
Worum geht’s?
Die 80er. In der Kleinstadt Hawkins verschwinden und sterben mehr und mehr Menschen. Dahinter stecken Monster aus einer verborgenen Welt. Ausgerechnet eine Gruppe Kinder und Jugendliche der Highschool entdeckt die Wahrheit und macht sich auf die Jagd.
Wie ist die Serie?
Gefühlt begann mit „Drive“ (2011) ein Retro-Hype um Synthesizer-Soundtracks und 70/80er-Jahre-Feeling, der in „Kung Fury“ (2015) gipfelte und seither eigentlich kalter Kaffee ist, doch „Stranger Things“ entfacht den Hype neu und überträgt ihn auf das TV-Medium. Dass die Duffer Brothers mit ihrer Netflix-Serie Riesenerfolge feiern, liegt vor allem an ihrer formvollendeten Nostalgie-Strategie.
„Stranger Things“ ist eine einzige große Hommage an die US-Popkultur von etwa 1975 bis 1985. Insbesondere die Werke von Stephen King und Steven Spielberg spielen dabei eine tragende Rolle. Die Handlung von „Stranger Things“ schöpft reichlich aus den King-Buchverfilmungen „Carrie“, „Der Feuerteufel“, „Es“ oder „Stand By Me“ – beziehungsweise deren Vorlage, wie auch aus „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „E.T. – Der Außerirdische“ oder „Poltergeist“. Zumindest visuell finden sich viele weitere Verweise, etwa auf „Die Goonies“, „Alien“ oder „Nightmare – Mörderische Träume“. Passend dazu quillt der Soundtrack über vor Hits von Bon Jovi bis The Clash.
Allerdings sind die Referenzen selten eindeutig auszumachen, sondern verschwimmen ineinander. Für das Publikum entsteht ein nicht näher bestimmtes Gefühl der Vertrautheit. Mit dem nostalgischen Effekt schaffen die Duffer Brothers eine emotionale Bindung zu ihrer Monsterjagd. Im Grunde werfen sie alle bewährten Zutaten aus ihrer Lieblingsära in einen Topf und rühren einmal um. Ganz wird diese Beschreibung ihnen aber nicht gerecht, denn die Figuren und Drehbücher in „Stranger Things“ sind wirklich sorgsam ausgearbeitet.
Umwerfend gute Nachwuchsstars, David Harbour als Polizeichef und eine maximal besorgte Winona Ryder führen die hochsympathische Besetzung an. Der Serie gelingt eine perfekte Ausbalancierung und Verbindung unterschiedlicher, gleichstarker Handlungsstränge. So bietet die Geschichte viele Facetten, ohne kompliziert zu werden. Wenn der Horroraspekt gerade nicht dominiert, lehnt sich „Stranger Things“ auch an klassische Teeniefilme an. Tatsächlich sind die stärksten Momente der Serie jene, in denen es um zwischenmenschliche Beziehungen und nicht um Übernatürliches geht.
Die aus angenehm wenigen Episoden bestehenden Staffeln funktionieren (bewusst) wie ein langer Film und kommen weitestgehend ohne experimentelle Ausschweifungen und Füllmaterial aus. Unterm Strich haben die Duffer Brothers an alles gedacht, um ihre Serie goutieren zu lassen. Bei einer so massiven Bedienung der Nostalgie-Keule stellt sich nur noch die Frage nach der Eigenleistung und Originalität. Heruntergebrochen auf die einzelnen Zutaten bietet „Stranger Things“ nur Altbekanntes aus dem Kino. Der springende Punkt ist die charmante, hochwertige Präsentation, mit beeindruckend authentischem 80er-Jahre-Look und intelligenten, liebenswerten Charakteren.
Update Staffel 3 (2019)
Nach einer etwas längeren Wartepause liefert Staffel 3 schlichtweg mehr von dem, was die Fans zuvor liebgewonnen hatten, kleine Variationen von Bekanntem. Diesmal bilden die beginnende Pubertät der Nerd-Gang sowie der Kalte Krieg der Reagan-Ära den erzählerischen Rahmen. Kino-Klischees werden munter zelebriert, zahlreiche Filmklassiker zitiert, speziell aus dem Horrorbereich. Sieben Episoden lang bewegt sich alles auf einem konstanten, soliden Niveau mit gewohnt starker Kameraarbeit und hervorragenden visuellen Effekten. Eisverkäuferin Robin integriert sich erfolgreich als sympathische neue Hauptfigur, gespielt von Maya Thurman-Hawke, Tochter von Uma und Ethan.
Dann kommt die finale Episode 8. Sie lässt nicht nur die drei Haupthandlungsstränge befriedigend zusammenlaufen, sondern trifft das Publikum mit einer ungeahnten emotionalen Wucht. Allein für dieses Finale lohnt sich die ansonsten etwas redundante Staffel 3. Für die unvermeidliche Staffel 4 braucht es aber grundlegende Neuerungen, wenn die Macher sich nicht im Kreis drehen wollen.
Update Staffel 4 (2022)
Mit der heißersehnten Staffel 4 gelingt „Stranger Things“ tatsächlich noch eine Steigerung. Die Folgen sind länger, doch keineswegs langweiliger. Die eigene Geschichte tritt aus dem Schatten der Popkultur-Hommage heraus und enthüllt das große Ganze nach allem, was bisher geschah. Im Auftakt blasen die Duffer Brothers harmlose Spiele mittels Zeitlupen, Kamerafahrten und übertriebenem Sounddesign zu Schlachten auf. Später, wenn es wirklich um alles geht, kommt ihnen das inszenatorische Geschick umso mehr zugute, denn das Finale gerät einmal mehr hochemotional.
Formvollendet fügen sich die packend montierten Einzelplots in Episode 7 zusammen, bevor die überlange Finalfolge 9 noch einen draufsetzt. Mit Staffel 4 offenbart die Serie einen Masterplan, beantwortet große Fragen und belohnt die Fans, die bis hierhin am Ball geblieben sind. Die Horrorelemente geraten noch fieser, die Dramaelemente noch reifer und bewegender. Liebenswertes Staffel-Markenzeichen ist die Figur Eddie, die „Stranger Things“ endlich auch ‚Metal‘ macht.
Die vierte Staffel greift auch tief in die Klischee-Kiste, verlässt sich bei einer Figur gefährlich stark auf Verjüngungs-CGI und verschluckt sich gen Ende fast am eigenen Pathos. Doch unterm Strich zeigt „Stranger Things“ eine beeindruckende Entwicklung.
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User-Wertung
Wie findest du diese Serie?
Ich finde die Serie bisher sehr gut, habe jedoch nur die 1. Staffel gesehen. Zu deinem Fazit: Oft muss das Rad nicht neuerfunden werden, es reicht bestehende Dinge lediglich zu verbessern. Die hochwertige Präsentation von Altbekanntem ist auch nicht einfach, daher großes Lob an die Duffer Brothers. Klasse Review!
Danke für deine Kommentare. 🙂
Ich bin gerade dabei die 3. Staffel anzuschauen. Mir fehlt lediglich die letzte Folge. Dein Update habe ich nur bis zum Ende des ersten Absatzes gelesen, damit ich mir nichts vorwegnehme, falls das der Fall sein sollte.
Bisher kann ich sagen, dass die Serie eine tolle Atmosphäre schafft und diese gelungen rüberbringt. Zu Staffel eins hatte ich noch die Erwartung eine tolle Hysterie-Serie zu bekommen, aber mit den folgenden Staffeln zeigt sich dies nicht. Wie du geschrieben hast, kommt pro Staffel schlichtweg mehr. Und ich will es so sagen, es wird einfach extremer. Die Effekte, die Bedrohung, das Monster, es wird größer, brutaler und derber. Leider entwickelt sich die Handlung und Struktur der Serie nicht wie von mir gewünscht weiter. Der Ablauf ist bisher der selbe: “Portal” auf, Bedrohung bekämpfen und “Portal” schließen. Das fasst die Handlung der einzelnen Staffeln bisher für mich zusammen. Das ist für mich subjektiv nicht die Entwicklung, die ich mir gewünscht hatte. Aber wenn man sich damit zufrieden gibt oder weiß worauf man sich einlässt, ist Stranger Things eine spitzen Serie, die genau im richtigen Moment entstanden zu sein scheint. Ich kann sie trotzdem genießen, jetzt wo ich weiß auf was ich mich einlasse.