Originaltitel: Stoker
USA, GB | 2013 | 99 Min. | FSK: ab 16
Drama, Thriller, Horror, Mystery
Regie: Chan-wook Park
Drehbuch: Wentworth Miller
Besetzung: Mia Wasikowska, Matthew Goode, Nicole Kidman u.a.
Kinostart: 09.05.13
DVD/Blu-Ray VÖ: 20.09.13
Links zum Film:
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Bild © Twentieth Century Fox
Worum geht’s?
Als die junge, mit überdurchschnittlichen Wahrnehmungsfähigkeiten ausgestattete India Stoker ihren Vater und besten Freund verliert, ist sie nicht mehr dieselbe. Vergeblich versucht ihre trauernde Mutter, an sie heran zu kommen. Da erscheint Onkel Charlie auf der Bildfläche, der Bruder des Vaters, von dem India gar nichts wusste. Mit seinem ausgeprägten Charme wickelt Charlie Indias Mutter um den Finger, doch India ahnt, dass der unbekannte Verwandte etwas im Schilde führt.
Wie ist der Film?
Schon das Plakat – selbst die Version ohne Blut – bringt die Stimmung auf den Punkt, die der zugehörige Film bis zu seinen Enthüllungen verbreitet: alles sieht an sich neutral und akkurat aus, aber irgendetwas ist faul. Geheimnistuerei war selten so elegant. Mit „Stoker“ liefert der koreanische Regisseur Chan-wook Park („Oldboy“, „Durst“) seinen ersten englischsprachig gedrehten Film und beweist, dass sein exzentrischer Blick auf die Dinge auch im US-amerikanischen Umfeld bestens funktioniert.
Das Drehbuch ist das überraschende Debüt des aus der Serie „Prison Break“ bekannten Schauspielers Wentworth Miller und kommt einem Regisseur wie Park sehr gelegen, da es durch wenig Dialog viel Raum für eine eigene Bildsprache lässt. So entsteht aus dem im Kern simplen, auf eine gemeine Auflösung hinarbeitenden Plot meisterliches Spannungskino voller raffinierter Symbole. Die Art, wie „Stoker“ Tongestaltung, Kadrierung und Montage einsetzt, schöpft die Möglichkeiten der Filmkunst brillant aus, ohne dem Selbstzweck zu verfallen. Ein großes Kunstwerk im kleinen Rahmen, vollendet durch das fesselnde Schauspiel.
Eine bildschöne Nicole Kidman („Eyes Wide Shut“) nimmt eine eher undankbare, nörgelnde Opferrolle ein und schafft es dabei, trotzdem die wärmste, menschlichste der drei Hauptfiguren zu sein. Ihre authentische Erhabenheit passt ideal zur präzisen Vision des Regisseurs. Der noch zu unbekannte Charmeur Matthew Goode („A Single Man“) vollzieht eine ähnliche Gratwanderung: seine Figur ist im doppelten Sinne unheimlich attraktiv – so anziehend wie fadenscheinig. Im Zentrum steht die junge Mia Wasikowska („Alice im Wunderland“), hier zweifellos in einem ihrer eindrucksvollsten Leinwandauftritte bis dato. Zurückgenommen und doch ausdrucksstark trifft sie den verwirrten Entwicklungspunkt zwischen Mädchen und Frau, das Ende der Unschuld eben.
Dieses wunderbar ambivalente Trio, das durch den abgelegenen Wohnraum und die kaum einzuordnende Kleidung obendrein von Zeit und Raum nahezu losgelöst erscheint, lädt zur Auseinandersetzung ein. Durch diese Art der Charakterzeichnung sowie das verspielte Handwerk behält „Stoker“ durchgehend eine Grundspannung, obwohl die Handlung nur sehr langsam voranzukommen scheint. Damit all die Verheißungen letztlich nicht einfach verpuffen, findet „Stoker“ dann einen sehr deutlichen Weg, die Unschuld zu beenden – wie man es vom Regisseur gewohnt ist – und meditiert über die Faszination von Gewalt.
„Stoker“ ist, so makaber es am Ende scheinen mag, einer der schönsten Filme des Jahres, weil er sich eine Vielzahl inszenatorischer Ideen formvollendet zu eigen macht und damit stets der Erzählung sowie der Erzeugung von Atmosphäre dient. Diese ungemein rätselhafte, erotisch aufgeladene Atmosphäre wiegt die eigentlich gar nicht so originellen Geheimnisse der Geschichte auf. Ein perfekt besetzter, stark gespielter Thriller, der oft auch ohne Worte viel erzählt (kulminierend in einer fabelhaften Klavierspielszene). Schwer zu sagen, ob Hitchcock, an dessen Klassiker „Im Schatten des Zweifels“ sich „Stoker“ deutlich anlehnt, eher stolz, eher erschüttert oder beides gewesen wäre.
Ich war auch sehr beeindruckt.