Antichrist

Filmposter Antichrist

5.5/10

Originaltitel: Antichrist
DE, DK, FR, IT | 2009 | 104 Min. | FSK: ab 18
Drama, Thriller, Horror
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Besetzung: Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg
Kinostart: 10.09.09
DVD/Blu-Ray VÖ: 18.03.10

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | film zeit
Bilder © Ascot Elite

Worum geht’s?

Ein Ehepaar verliert durch einen Unfall den gemeinsamen kleinen Sohn. Während die von Schuldgefühlen geplagte Frau durch die Trauer krank wird, ist der Mann, ein Therapeut, damit beschäftigt, sich um sie zu kümmern. Eine Therapiemaßnahme führt die beiden in die entlegene Waldhütte ‚Eden‘, wo sie ein grausames Schicksal ereilt.

Wie ist der Film?

„Antichrist“ ist ein durch zahlreiche Stile und Symbole verbauter Film, den man eigentlich nicht verstehen, höchstens überinterpretieren kann. In einem im Grunde simplen, ja banalen Handlungsgerüst geht von Trier vom schlimmsten Leid aus, das Eltern sich vorstellen können und beschäftigt sich anschließend mit dessen Verarbeitung, gegliedert in mehrere Phasen beziehungsweise Kapitel. Diese Hölle, in die Mann und Frau dabei manövriert werden, ist so dubios und brutal inszeniert, dass „Antichrist“ während und nach seiner Uraufführung bei den Filmfestspielen von Cannes mit Recht zum stark polarisierenden Skandalfilm avancierte.

Szenenbild AntichristRegisseur und Autor Lars von Trier („Breaking the Waves“, „Dancer in the Dark“) vereint im komplett in Deutschland gedrehten „Antichrist“ verschiedene Motive seiner vorangegangenen Werke und führt seinen rauen Handkamerastil fort, vollzieht durch starke Stilisierung und Bearbeitung vieler Bilder allerdings auch drastische Veränderungen. Speziell der übertrieben schöne Prolog grenzt sich noch einmal stärker ab. So kannte man den Dänen noch nicht. Einhergehend mit verfremdeten Klangteppichen aus natürlichen Geräuschen als Musikersatz entsteht eine Reihe faszinierender Film-Gemälde, gerne in Superzeitlupe, die immer beunruhigender wirken und eigentlich immer weniger Aufschluss geben.

Der ohnehin für seine Phobien bekannte von Trier befand sich im Zeitraum der Produktion von „Antichrist“ nach eigenen Angaben in einer depressiven Phase, die ihn in seinen Fähigkeiten einschränkte. So sah er sich beispielsweise nicht in der Lage, selbst Kamera zu führen, was er sehr bedauerte. Diese Phase erlaubte ihm allerdings auch eine neue Herangehensweise an seine Arbeit, die beim Betrachten des Endprodukts sehr deutlich wird. „Antichrist“ mag ob seiner Optik und verschiedenen Themen akribisch recherchiert und vorbereitet sein, hat aber gleichzeitig auch einen sehr intuitiven Charakter. Traumbilder vermischen sich permanent mit der filmischen Realität; immer abgefahrenere Metaphern überschlagen sich und grausame Schock-Szenen ersetzen die Ausformulierung begonnener Stränge.

Von Trier schickt Frau und Mann zurück in die Natur, gegen die sie verlieren und in der sie sich verlieren und spielt dabei mit Märchenelementen sowie dem ihm immer wieder angekreideten Frauenhass. Dabei konfrontiert der Filmmacher zum einen sich selbst auf therapeutische Art mit seinen Ängsten, zum anderen sein Publikum mit der archaischen Gewalt, die der Mensch (im Geschlechterkampf) in sich trägt. Nur setzt sich das Puzzle um den trotz Venussymbol im Titel zu keiner Zeit direkt benannten Antichristen nie ganz zusammen, so sehr man es auch drehen und wenden will, und das weiß der geniale Mistkerl von Trier auch.

Willem Dafoe („Der blutige Pfad Gottes“) und besonders die dafür in Cannes ausgezeichnete Charlotte Gainsbourg („21 Gramm“) liefern in „Antichrist“ starke, hingebungsvolle Leistungen ab und gehen an ihre Grenzen. Doch da man anders als in sonstigen Werken von Triers direkt in die Situation, die das Leben der Hauptfiguren aus dem Ruder laufen lässt, hineingeworfen wird, statt dass man die selbigen erst einmal kennen lernen kann, fällt es schwer, sich auf die beiden – vor allem sie – einzulassen. Die Frau verfällt schnell einem unberechenbaren, immer schlimmer werdenden Wahn und der Mann hat nichts Besseres zu tun als kühl berechnend zu bleiben. Das und die überhöhten Auswirkungen des Leids machen „Antichrist“ schwer greifbar. Man würde glatt die Lust verlieren, hätte von Trier nicht so ein gutes Gespür für Horror und allgemein beeindruckende Tricks entwickelt.

Unumstritten ist „Antichrist“ einer der schwierigsten von Triers. Eine vorzüglich gespielte, effekthascherisch bebilderte, unvorhersehbare Geschichte, die mehr Fragen aufwirft als man beantworten kann, zuweilen beeindruckend ästhetisch, aber sehr unangenehm. Vorbilder wie Andrei Tarkowski („Solaris“, „Der Spiegel“), dem der Film auch gewidmet ist, ein bisschen auch Polanski („Ekel“) oder Bergman („Das siebente Siegel“) lassen grüßen, weniger aber eine konkrete oder wenigstens konsequente Handlung. Es ist ein wirres, provozierendes, vielleicht unendlich tiefsinniges Experiment als Depressionskur, welches man von Trier trotz handwerklicher Raffinesse und großer Nachhaltigkeit noch lange nicht als Meisterwerk durchgehen lassen muss.

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