Auf der anderen Seite

Filmposter Auf der anderen Seite

8/10

Originaltitel: Auf der anderen Seite
DE, TR | 2007 | ca. 120 Min. | FSK: ab 12
Drama
Regie: Fatih Akın
Drehbuch: Fatih Akın
Besetzung: Nurgül Yeşilçay, Baki Davrak, Tuncel Kurtiz, Hanna Schygulla, Patrycia Ziolkowska u.a.
Kinostart: 27.09.07
DVD/Blu-Ray VÖ: 29.02.08

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | film zeit
Bilder © corazón international

Worum geht’s?

In Bremen beginnt Ali, der Vater des Germanistikprofessors Nejat, aus Einsamkeit eine gekaufte Beziehung mit der Prostituierten Yeter. Diese verdient ihr Geld vor allem, um ihrer Tochter Ayten, eine politische Aktivistin in Istanbul, Bildung zu ermöglichen. Ayten flüchtet vor der Polizei nach Deutschland, kann Yeter aber nicht finden. Studentin Lotte nimmt Ayten bei sich auf. Lotte lebt bei ihrer Mutter Susanne, der die illegale Einwanderin überhaupt nicht zusagt. Mehrere Schicksalsschläge führen dazu, dass die verschiedenen Personenkonstellationen sich vermengen.

Wie ist der Film?

Szenenbild Auf der anderen SeiteAls Fatih Akın 2004 mit „Gegen die Wand“ ungeahnte Erfolge feierte, vollzog sich ein Bruch in seiner Karriere. Untypischerweise war der Stoff für den nächsten Spielfilm völlig ungewiss, sein erstes Kind wurde geboren und erdete den Rock ’n’ Roller ein stückweit, seine erste abendfüllende Dokumentation „Crossing The Bridge – The Sound of Istanbul“ entstand und brachte nach eigenen Angaben eine therapeutische Wirkung mit sich. Schließlich kam die Idee zu „Auf der anderen Seite“, welcher der zweite Teil einer Trilogie über Liebe, Tod und Teufel sein sollte, beginnend mit „Gegen die Wand“, ein Film über den Tod also. Dieser Bruch in Akıns Schaffensphase macht sich in „Auf der anderen Seite“ überdeutlich bemerkbar. Und darüber kann man sich glücklich schätzen. Denn mit diesem Film hat er wohl sein persönliches Meisterwerk vollbracht.

Die in Bremen, Hamburg und Istanbul gedrehte Geschichte zeigt beziehungsweise transportiert sehr viel. Es ist eine Geschichte über Menschen, die trauern, sich für einen Lebenswandel entscheiden, auf Reisen gehen, heimkehren und vergeben, oder sterben. Von miteinander vernetzten Einzelschicksalen in Liebesbeziehungen und unvollständigen Familien wird genauso erzählt wie vom Lauf des Lebens ganz allgemein; davon, dass immer, wenn etwas geht, auch wieder etwas Neues entsteht. Und so zeitlos, wie sich der Film betrachten lässt, so aktuell und politisch ist er auch, mit der Gegenüberstellung und Zusammenführung von Deutschland und Türkei, wie sie wohl nur Akın beherrscht, weil er sie selbst lebt.

Und was den Film überhaupt erst so herausragend macht, ist die Tatsache, dass es dem Regisseur und Autor gelang, diese riesige, dreisprachige Themenvielfalt stimmig zu einer in sich ruhenden Handlung zu formen, deren zweistündige Laufzeit sich ohne größere Anstrengungen in einem Rutsch aufnehmen lässt. Das komplexe aber klar aufgelöste Drehbuch ist eine großartige Leistung und katapultiert Akın in eine Liga mit Regisseuren wie Alejandro González Iñárritu („Amores Perros“, „21 Gramm“). Ähnlich entscheidend ist die den Inhalt abrundende Form: Es dominieren angenehm unaufgeregte Bilder und lange Einstellungen (ein Novum für Akın-Fans, woran sich die selbigen aber wenigstens für diesen Film gewöhnen sollten) sowie eine geschickte Symbolik, wie etwa die vielen Spiegelungsmotive in Anlehnung an den mehrdeutigen Filmtitel.

„Auf der anderen Seite“ ist ein von einer bunten Besetzung glänzend gespielter Ensemblefilm mit einem schönen offenen Ende, das der schweren Geschichte gut tut. Passend dazu auch der Aufbau der Handlung wie im griechischen Drama – mit Zwischentiteln, die schon vorwegnehmen, wer sterben wird. Auf diese Weise versteift sich das Publikum nicht auf Spekulationen, sondern erhöht den Reflexionsgrad. Ein Kniff, der wunderbar funktioniert, weil das, was der Film aussagen will, mindestens genauso viel wiegt wie seine spezifische Handlung. Was man „Auf der anderen Seite“ höchstens vorwerfen könnte, wäre, dass die Verbindung der verschiedenen Handlungsstränge zu konstruiert, zu gezwungen wirkt. Doch nur Wenige werden sich daran wirklich stören. Es handelt sich hier sicherlich um Akıns bis dato reifsten Film. Ein erzähltechnisches und inszenatorisches Mammut-Projekt, das man meisterlicher wohl nicht hätte bewältigen können.

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