Lolita

Filmposter Lolita

7.5/10

Originaltitel: Lolita
USA | 1962 | 147 Min. | FSK: ab 12
Komödie, Drama, Romanadaption
Regie: Stanley Kubrick
Drehbuch: Vladimir Nabokov
Besetzung: James Mason, Shelley Winters, Peter Sellers u.a.
Kinostart: 21.06.62
DVD/Blu-Ray VÖ: 23.07.01

Links zum Film:
IMDb | Wikipedia | Filmposter

Worum geht’s?

Der in Frankreich geborene Literaturwissenschaftler Humbert Humbert nimmt sich ein Zimmer in einer Kleinstadt in New Hampshire, um dort auszuspannen, bevor seine Professur am Beardsley College in Ohio beginnt. Dort hat er ein Auge auf die minderjährige Tochter der Vermieterin, Dolores alias „Lolita“, geworfen. Um der schönen Lolita nah zu sein, lässt Humbert die Annäherungsversuche ihrer Mutter über sich ergehen. Doch das ist nur der Anfang einer makaberen Liebesgeschichte.

Wie ist der Film?

Erst ist „Lolita“ zu offensichtlich: Zu klar wird dargestellt, wer auf wen steht, wer durch wen frustriert und wer von wem genervt ist. Eine subtilere Zeichnung der Beziehungsgeflechte hätte mehr Stil bewiesen. Dann wird „Lolita“ zu dubios. Zu unklar sind die Wendungen dargestellt, zu schwammig die Hintergründe der Geschichte. Es ist ein etwas durchwachsener Kubrick, der erste seit den bisherigen Filmen des Regisseurs, wo der Nachfolger seinen Vorgänger stets noch übertraf. Dafür gelang dem inzwischen 31jährigen Filmemacher mit einigen künstlerischen Freiheiten die Verfilmung eines kontroversen und als so gut wie unverfilmbar geltenden Romans. Und eine unheimlich amüsante noch dazu.

„Lolita“ ist der erste komödiantische Film von Stanley Kubrick, auch wenn er sich als Schicksalsdrama entpuppt. Die ulkige Cha-Cha-Cha-Musik signalisiert, dass man das, was man da sieht, lustig finden darf. So offenbart sich in „Lolita“ ein herrlich schwarzer Humor, der in manchen Szenen großen Spaß macht. Es gibt sogar ein paar Slapstick-Einlagen, die jedoch leider meist etwas deplatziert wirken. Wenn der Film gerade nicht lustig ist, besticht er so manches Mal durch eine Spur Suspense.

Getragen wird das Ganze von wieder einmal glänzend gewählten Schauspielern. James Mason („Der unsichtbare Dritte“) überzeugt fast allein durch seine edle Britishness (Originalfassung) auf ganzer Linie, speziell an der Seite des amerikanischen Gör Lolita, eindrucksvoll verkörpert von der bis dato unbekannten Nachwuchsdarstellerin Sue Lyon. Für eine wunderbar tragikomische Nebenfigur darf Shelley Winters („Die Nacht des Jägers“) herhalten. Das schauspielerische Zentrum krallt sich aber Verwandlungskünstler Peter Sellers („Der Partyschreck“), der aufgrund seines immensen Talents auch in Kubricks folgendem Film „Dr. Seltsam“ eingesetzt wurde. Seine Rolle in „Lolita“ wurde extra ausgedehnt, denn im Roman ist die entsprechende Figur nur beiläufig erwähnt. Zu Recht, denn ein paar seiner Szenen gehören zu den Highlights des Films, z.B. jene, in der er einen meisterhaft trainierten deutschen Akzent (Originalfassung) zum Besten gibt.

Kubrick nahm sich so einige Freiheiten bei der Adaption der literarischen Vorlage von Vladimir Nabokov, obwohl Nabokov auch das Drehbuch selbst erarbeitete. So entspricht Lolita ursprünglich überhaupt nicht dem üblichen Schönheitsideal, wohingegen sie im Film eine entzückende, beinah sinnliche Blondine ist. Eine wichtige Änderung, da nur so der nötige Hauch von Empathie seitens des Publikums gegeben ist. Andere Abweichungen vom Original sind dagegen unfreiwillig. Die Zensurvorschriften der damaligen Zeit waren so streng, dass Kubrick praktisch die ganze Erotik – im Roman essentiell und ausführlich – weglassen musste. Es heißt, hätte Kubrick das Ausmaß der Zensur vorher gekannt, hätte er den Film gar nicht gemacht. So bleibt es schließlich bei minimalen Andeutungen, weshalb der Film seine ganze Kraft aus Atmosphäre und Schauspielerei schöpfen muss – was glücklicherweise recht gut gelang.

Wiederum freiwillig entschied sich Kubrick dazu, das Ende an den Anfang zu setzen (vgl. „Fight Club“). Ob dieser Kniff die Dramaturgie entscheidend bereichert, bleibt fraglich. Überhaupt ist „Lolita“ keine dramaturgische Glanzleistung – die Szenen wirken manchmal holprig aneinandergereiht und bilden keinen Fluss. Zäh wird es dabei jedoch nicht. Insgesamt lässt sich sagen, dass Kubrick bei der Umsetzung der schwierigen Vorlage nicht nur gute Entscheidungen traf. Zusätzlich waren ihm durch die Zensur auch noch die Hände gebunden. Doch er machte das Beste draus. (Glücklicherweise konnte Kubrick kurz vor seinem Tod mit „Eyes Wide Shut“ doch noch seinen Erotikfilm drehen.)

„Lolita“ weiß trotz kleiner Unzulänglichkeiten latent zu fesseln und bleibt ein gewagter Film mit interessanten Entwicklungen. Allein wegen dem guten Humor (man beachte den Seitenhieb auf Kubricks ungeliebtes Vorgängerwerk „Spartacus“ in den ersten Minuten), dem überragenden Peter Sellers, dem ungewöhnlichen, für intensive Momente sorgenden Hauptrollenpaar und den mysteriösen Wendungen ist und bleibt „Lolita“ ein sehenswerter Film über Tabus, Schicksal und natürlich die erschütternde Gefährlichkeit weiblicher Anziehungskraft.

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